Unternehmen in der Krise entsteht durch Forderungsverzichte der Gläubiger regelmäßig ein nicht liquiditätswirksamer Sanierungsgewinn. Der sogenannte Sanierungserlass des BMF (BMF-Schreiben vom 27.03.2003 und vom 22.12.2009) ermöglicht es den Finanzämtern, diesen ertragsteuerlichen Gewinn aus Billigkeitsgründen zu stunden, herabzusetzen oder zu erlassen.
Insbesondere vor dem Hintergrund der Streichung der gesetzlich normierten Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen (§ 3 Nr. 66 EStG a. F.) ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur jedoch umstritten, ob der Sanierungserlass eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne darstellt.
Um diese für die Praxis sehr bedeutsame Frage zu klären und eine einheitliche Handhabung zu ermöglichen, hat der X. BFH-Senat in einem aktuellen Fall dem Großen Senat die Frage vorgelegt, ob der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt (Beschluss vom 25.03.2015, X R 23/13).
Nach Auffassung des vorlegenden X. Senats verstößt der Sanierungserlass nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Weder ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verletzt, noch liegt ein Verstoß gegen EU-Beihilferecht vor. Gleichwohl war eine Vorlage an den Großen Senat angezeigt, da die aufgeworfenen Fragen für den konkret anhängigen Fall entscheidungserheblich sind.
Hinzu kommt, dass die Vielzahl der divergierenden erstinstanzlichen Entscheidungen und die Vielzahl der Literaturbeiträge zeigen, dass der Vorlagefrage auch grundsätzliche Bedeutung für die Sanierungspraxis insgesamt beikommt. Die Frage der Besteuerung von Sanierungs-gewinnen ist in unzähligen Sanierungsverfahren, insbesondere in Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren von zentraler Bedeutung. Neben dem Streitfall sind weitere Revisionsverfahren beim BFH anhängig, in denen die Frage der Gesetzmäßigkeit des sog. Sanierungserlasses von Bedeutung sein dürfte.