Ein aus einer Personenhandelsgesellschaft ausscheidender Gesellschafter erhält gem. §§ 61Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB für seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen jenen Wert, den er auch bei Auflösung der Gesellschaft und Auseinandersetzung erhalten würde.
Nach herrschender Meinung hat der Gesellschafter einen Abfindungsanspruch in Höhe des vollen wirtschaftlichen Werts (Verkehrswerts) seines Anteils, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Vereinbarung (Abfindungsklausel) enthält. Entgegen dem missverständlichen Gesetzeswortlaut ist nicht ein Liquidationswert der zum Unternehmen gehörenden Vermögensgegenstände anzusetzen, sondern der Wert, den ein Erwerber für das fortzuführende Unternehmen gewöhnlich zahlen würde.
Früher gingen das juristische Schrifttum sowie die Rechtsprechung im Rahmen von § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB als Wertermittlungsverfahren grundsätzlich von der Substanzwertmethode aus. Danach sollte es zur Ermittlung des Abfindungsanspruchs der Erstellung einer sog. Auseinandersetzungsbilanz bedürfen, in der alle materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände des Gesellschaftsvermögens mit ihren Substanzwerten auf der Basis der Fortsetzung der Gesellschaft angesetzt werden.
Inzwischen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung unter dem Einfluss der betriebswirtschaftlichen Bewertungslehre die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens für die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens anerkannt. Dementsprechend herrscht heute dort die Ertragswertmethode vor (z. B. Urteil vom 29.04.2014, ZR 216/13). Durch den Übergang von der Substanz- zur Ertragswertermittlung hat auch die Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz ihre herkömmliche Bedeutung weitgehend verloren.
Nach dem IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1) bestimmt sich der Wert eines Unternehmens unter der Voraussetzung ausschließlich finanzieller Ziele durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unter nehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner. Dieser Wert ergibt sich grundsätzlich aufgrund der finanziellen Überschüsse, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung etwaigen nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden (Zukunftserfolgswert). Nur für den Fall, dass der Barwert der finanziellen Überschüsse, die sich bei Liquidation des gesamten Unternehmens ergeben (Liquidationswert), den Fortführungswert übersteigt, kommt der Liquidationswert als Unternehmenswert in Betracht. Dem Substanzwert kommt bei der Ermittlung des Unternehmenswerts von Unternehmen mit ausschließlich finanziellen Zielen keine eigen ständige Bedeutung zu.
Vielfach sind in Gesellschaftsverträgen bestimmte Regelungen zur Ermittlung des Abfindungsanspruchs vorgesehen, die vorrangig zu beachten sind. Solche Abfindungsklauseln finden ihre Grenzen im Gläubiger- sowie im Gesellschafterschutz. So greift insb. das Verbot sittenwidriger Geschäfte, sofern von vornherein ein grobes Missverhältnis zwischen vertraglichem Abfindungswert und tatsächlichem Anteilswert besteht. Wir verweisen auch auf unseren Beitrag „Wirtschaftliche und rechtliche Aspekte gesellschaftsvertraglicher Abfindungsregelungen“.
Jedem Unternehmen ist zu empfehlen, die (1) Art und (2) Höhe der Abfindung, ein (3) Berechnungsverfahren sowie die (4) Zahlungsmodalitäten gesellschaftsvertraglich eindeutig zu regeln. Gern unterstützen wir Sie bei der Formulierung solcher Klauseln im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters in der Satzung (Kündigung, Einziehung der Anteile, Ausschluss, Tod) oder bei der Erstellung von Unternehmensbewertungen nach der Ertragswertmethode auf der Basis des IDW S1.
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