Die Bundesregierung hat am 19. September 2020 den lang erwarteten Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und In-
solvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vorgelegt, mit dem neben anderen sanierungsrelevanten Gesetzesänderungen die EU-Richtlinie für den „Präventiven Restrukturierungsrahmen“ (StaRUG)umgesetzt werden soll.
Der Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen (SanRR) wird nach seinem Inkrafttreten, voraussichtlich im Frühjahr 2021 (avisiert ist der 1.1.2021), eine Schlüsselfunktion bei der Bewältigung der Corona-Folgen innehaben. Die Bundesregierung plant – offensichtlich unter dem Eindruck der Corona-Krise – den SanRR als ein wirklich neuartiges, innovatives Sanierungsinstrument, mit dem sich Unternehmen ganz ohne das Stigma eines Insolvenzverfahrens sanieren können. Ursprünglich war vermutet worden, der deutsche Gesetzgeber werde die EU-Richtlinie sehr eng fassen, als eine Art „Insolvenzverfahren vor dem Insolvenzverfahren“. Dies ist glücklicherweise nicht der Fall.
Der Gesetzgeber gibt Unternehmen, die noch zahlungsfähig sind, einen sicheren rechtlichen Rahmen zur Sanierung. Diesen Schritt begrüßen wir. Schließlich ist es das Ziel, krisengeschüttelte Unternehmen zu retten – und nicht abzuwickeln.
Zusammengefasst stellt sich der Gesetzesentwurf wie folgt dar:
- Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ist bewusst weit gefasst und eine Art „Sanierungsbaukasten“ aus dem Elemente fakultativ entnommen werden können.
- Die Unternehmensleitung wird verpflichtet ein Krisenfrüherkennungsmanagement zu implementieren, ein Unterlassen ist haftungsbewährt. Der Bund wird hierfür Frühwarnsysteme zur Verfügung stellen.
- Es stellt einen rechtlichen Rahmen zur Verfügung, in dem sich Unternehmen auf Basis eines Restrukturierungsplans unter Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der einbezogenen Gläubiger ohne Insolvenzverfahren sanieren können.
- Es ist für Unternehmen im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit gedacht. Sie sollen den Restrukturierungsplan eigenständig verhandeln und zur Abstimmung stellen können. Nur in Ausnahmefällen soll eine gerichtliche Planabstimmung (also unter Aufsicht des Gerichtes) erfolgen
- Nahezu alle Gläubiger bis auf Arbeitnehmer und Pensionsverpflichtungen können in die Restrukturierung einbezogen werden
- Damit das gelingt, sieht das Gesetz u. a. folgende Instrumente vor:
- Gerichtliche Planabstimmung
- Bestätigung des Restrukturierungsplans durch das Gericht
- Gerichtliche Beendigung von gegenseitigen Verträgen
- Schutz des Unternehmens vor Vollstreckung während des Verfahrens
- Es bedarf keines komplexen Antrags: Der Beginn des Prozesses wird dem Gericht lediglich angezeigt
- Restrukturierungsbeauftragter soll nur in Ausnahmefällen gerichtlich bestellt werden
- Einführung eines gerichtlich bestellten Sanierungsmoderators/-in für eine „vorgelagerte“ einsetzende Sanierungsmoderation, die eine einvernehmliche Lösung zu verhandeln helfen soll
Erste Indikationen, die sich aus unserer Sicht aus dem Gesetzesentwurf ergeben:
- Mit den geringen Einstiegsvoraussetzungen macht der Gesetzgeber den Weg in den SanRR weit auf
- Die Tatsache, dass für die Zustimmung zum Restrukturierungsplan 75% der Forderungshöhe und nicht der Stimmen (Köpfe) notwendig sind, macht den Prozess beherrschbar
- Das StaRUG soll zusammen mit der InsO einen „stimmigen Rechtsrahmen“ für Unternehmenssanierungen darstellen. Vor allem will der Referentenentwurf dem Mehrheitsprinzip bei Sanierungen den Weg ebnen. Das bedeutet, dass einzelne Gläubiger bei der Sanierung eines Unternehmens überstimmt werden können. Dem steht bisher der Paragraf 1 der InsO entgegen, der eine Befriedigung der Gesamtheit der Gläubiger vorgibt. Das Mehrheitsprinzip – und damit letztendlich die Ungleichbehandlung einzelner Gläubigergruppen – war oft ein zentrales Argument dafür, dass deutsche Unternehmen für ihre Restrukturierung ins Ausland ausgewichen sind.
- Die Möglichkeit, für das Unternehmen schlechte Verträge zu beenden, macht den SanRR auch im Vergleich zur Eigenverwaltung attraktiv
- Die gesetzliche Regelung zu den Kosten von Restrukturierungsbeauftragtem und Sanierungsmoderator begrenzt die Kosten des SanRR
- Der Sanierungsmoderator wird der Weg in den Prozess ein. Zwar wird er gerichtlich bestellt, was ein Vorteil für die Insolvenzverwalter sein kann, jedoch scheint das Aufgabenspektrum deutlich mehr dem eines erfahrenen außergerichtlichen Sanierungsberaters zu entsprechen
- Insgesamt wird damit der SanRR Druck auf den Markt der Insolvenzverwaltungen ausüben. Es ist denkbar, dass Eigenverwaltungen nur noch dann die richtige Wahl sind, wenn im SanRR nicht regelbare Forderungen (Arbeitnehmer, Pensionsverpflichtungen) betroffen sind