Der Vorsteuerabzug setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer eine Rechnung erhalten hat, die allen formellen Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG genügt. Streitig war bisher, ob die spätere Korrektur einer Rechnung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Unternehmer die ursprünglich fehlerhafte Rechnung erhalten hat oder nicht. Diese scheinbar nebensächliche Frage ist aber für die Unternehmer von großer Bedeutung. Denn wenn die Rechnungskorrektur, die z. B. im Rahmen von Feststellungen einer Betriebsprüfung erforderlich wird, nicht zurückwirkt, verschiebt sich das Recht auf Vorsteuerabzug von dem Veranlagungszeitraum, in dem die ursprüngliche Rechnung erteilt wurde, in denjenigen Veranlagungszeitraum, in dem sie korrigiert wird und es fallen ggf. Zinsen i.H.v. 6 % p.a. auf die versagte Vorsteuer an.
Der EuGH hat der bisherigen Rechtsauffassung der deutschen Finanzverwaltung in einer Entscheidung vom 15.09.2016 (C-518/14, Rs. Senatex) eine Absage erteilt. Im Gegenteil: der EuGH die bejaht die Rückwirkung einer Rechnungskorrektur. Unternehmer können sich in gleichgelagerten Fällen auch schon vor der anstehenden Änderung der Fiskalpraxis in Deutschland direkt auf das zitierte EuGH-Urteil berufen.
Die Rettung des Vorsteuerabzugs erfordert, dass die fehlerhafte Rechnung tatsächlich korrigiert wird. Gelingt aber diese Korrektur nicht, z.B. weil der ausstellende Unternehmer nicht mehr existiert, ist und bleibt die Vorsteuer endgültig verloren grundsätzlich verloren und es kann zur Berechnung von Zinsen kommen.
Bei der erforderlichen Rechnungskorrektur könnte allerdings ein weiteres Urteil des EuGH vom 15.09.2016 Schützenhilfe leisten (C-516/14 Rs. Barlis). Der EuGH hat auch klargestellt, dass die Finanzverwaltung die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht allein anhand des Rechnungsdokuments prüfen darf. Erfüllt die Rechnung nicht sämtliche formelle Voraussetzungen, muss die Finanzverwaltung auch entsprechende Erkenntnisse berücksichtigen, die ihr aus anderen Quellen vorliegen. Gelingt dem Steuerpflichtigen somit eine Rechnungskorrektur nicht, kann er stattdessen auch versuchen, die fehlenden Informationen – wie beispiels-weise Leistungsbeschreibung oder Leistungsdatum – anhand anderer Nachweise zu belegen
In Fällen, wo gar kein Dokument vorliegt oder wo ein Dokument zwar vorliegt, jedoch so viele Mängel aufweist, dass man davon ausgehen muss, dass es sich nicht um eine Rechnung i. S. der formellen Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG handelt, hilft dem Unternehmer die Rechtsprechung des EuGH nicht weiter. Dementsprechend sollten Unternehmer weiterhin einen Fokus auf die Prüfung von Eingangsrechnungen legen.
Fraglich ist auch, ob die umsatzsteuerliche Einordnung der abgerechneten Lieferung bzw. Leistung mit der Rechnungskorrektur unschädlich geändert werden kann, also z. B. in Fällen, in denen der Leistende irrtümlich davon ausgegangen war, eine umsatzsteuerfreie Leistung zu erbringen, die sich jedoch als umsatzsteuerpflichtige Leistung herausstellt.