Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 sind die insolvenzrechtlichen Vorgaben und Auswirkungen von Rangrücktrittserklärungen erstmals gesetzlich geregelt.
Rangrücktrittserklärungen sind ein in der Praxis gängiges Mittel zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung. Diese Erklärungen können dabei sowohl von Gesellschaftern als auch vor Dritten erklärt werden. In der Praxis können sich die Erklärungen auf Darlehen oder sonstige Verbindlichkeiten beziehen und dabei ggf. auch entstehende Zinsen beinhalten. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass durch die Gesellschaft ungeachtet einer Rangrücktrittsvereinbarung Zinszahlungen auf die Nachrangforderungen erfolgen.
Zu einem solchen Sachverhalt hat der BGH am 05.03.2015 (Az. IX ZR 133/14) ein Urteil gesprochen. In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall hatte ein externer Dritter - kein Gesellschafter - einer Gesellschaft Darlehen gewährt. Dabei war der Dritte jeweils mit seinen Ansprüchen auf Rückzahlung des Nominalbetrags sowie auf Zinszahlung in den Rang hinter die Forderungen aller bestehenden und künftigen Gläubiger der Gesellschaft zurückgetreten. Die Gesellschaft hatte vor dem Eintritt in die Insolvenz Zinszahlungen an den Darlehensgeber geleistet, welche der Insolvenzverwaltet angefochten hat.
Die Klage des Insolvenzverwalters auf Rückzahlung der geleisteten Zinszahlungen war in bei-den Vorinstanzen abgewiesen worden. Auf die Revision des klagenden Insolvenzverwalters wurde das Berufungsurteil jedoch aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen mit der Vorgabe, dass aufgeklärt werden müsse, ob der Gesellschaft im Zeitpunkt der Zinszahlungen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit drohten.
Zur Begründung führt der BGH aus, mit dem Abschluss einer Rangrücktrittsvereinbarung verfolgten die Parteien den Zweck, dass die Nachrangverbindlichkeiten in einem insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus nicht passiviert werden müssten. Dem insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus liege das sogenannte Schuldendeckungsprinzip zugrunde. Es müsse sich aus diesem ergeben, ob alle außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu bedienenden Verbindlichkeiten durch Aktivvermögen gedeckt seien. Die Passivierungspflicht könne daher nur für Verbindlichkeiten entfallen, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht zu bedienen sind.
Der Abschluss einer Rangrücktrittsvereinbarung beinhalte daher bezüglich der Nachrangverbindlichkeiten stets die Vereinbarung einer Durchsetzungssperre gerade auch für die Zeit vor Insolvenzeröffnung. Darauf, ob der Rangrücktritt von einem Gesellschafter oder einem außenstehenden Dritten erklärt wurde, komme es nicht an.
Zum Umfang der Durchsetzungssperre führt der BGH aus, es entspreche den Interessen der Beteiligten, dass die Durchsetzungssperre nur solange bestehe, wie die Befriedigung der Nachrangforderungen bei der Gesellschaft eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit auslösen kann. Solange die Gesellschaft ohne Gefahr einer Insolvenz über hinreichende finanzielle Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeiten verfüge, könne die Nachrangforderung hinge-gen durchgesetzt werden. Solange jedoch eine Insolvenz der Gesellschaft drohe, sei auch eine Kündigung der Rangrücktrittsvereinbarung ausgeschlossen. Soweit die Durchsetzungs-sperre bestehe sei deren Folge, dass Zahlungen, die unter Verstoß hiergegen geleistet wer-den, als Zahlung auf eine Nichtschuld anzusehen seien. Der Zahlungsempfänger sei daher ungerechtfertigt bereichert. Zudem führe die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung zu einer Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne des § 134 InsO, so dass diese insoweit der Insolvenzanfechtung unterliege.
Solange dies der Fall ist, während die Gesellschaft ohne die Rangrücktrittsvereinbarung insolvenzreif wäre wovon man in der Regel wohl auszugehen hat, bedeutet dies nach der vor-liegenden Entscheidung des BGH zunächst für den Nachranggläubiger, dass dieser für die Dauer der Anfechtungsfrist des § 134 InsO von vier Jahren damit rechnen muss, im Fall einer Insolvenz der Gesellschaft die erhaltenen Zahlungen zurück gewähren zu müssen.
Darüber hinaus birgt die Entscheidung aber auch für den Geschäftsführer einer Gesellschaft ganz erhebliche Brisanz. Da der BGH Zahlungen auf Nachrangforderungen während der Durchsetzungssperre als Zahlungen auf eine Nichtschuld ansieht, wird man solche Zahlungen als Pflichtverletzungen des Geschäftsführers ansehen können oder sogar müssen, so dass der Geschäftsführer hierfür nach § 43 GmbHG persönlich haftet. Zudem kann für den Geschäftsführer der Untreuetatbestand verwirklicht sein, so dass dieser sich durch Zahlungen auf Nachrangforderungen auch strafrechtlichen Risiken aussetzen kann.