Wer sich bei einer sanierungsbedürftigen GmbH als Sanierungsberater engagiert, setzt sich einem besonderen Haftungsrisiko aus.
Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Ferner schuldet der Insolvenzverwalter gemäß § 61 Satz 1 InsO einem Massegläubiger Schadensersatz, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden kann. Beide Vorschriften statuieren Schadensersatzpflichten des Insolvenzverwalters.
Im Rahmen des im zu beurteilenden Falles war über das Vermögen der Schuldnerin ein Insolvenzverfahrens im Rahmen der Eigenverwaltung – ohne die Einsetzung eines Insolvenzverwalters (§ 270 InsO) – angeordnet worden. Mithin war die Schuldnerin auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen.
Nach der Auffassung des BGH können die Vorschriften der §§ 60, 61 InsO in der Eigenverwaltung einer juristischen Person analog auf die vertretungsberechtigten Geschäftsleiter angewendet werden. Damit hat der BGH in der Revision ein Urteil des OLG Düsseldorf vom September 2017 (I-16 U 33/17) aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das OLG hatte geurteilt, dass eine über die besondere Vertrauenshaftung gem. §§ 280 Abs. 1, 311 BGB hinausgehende verschärfte persönliche Haftung des (neu bestellten) Sanierungs-Geschäftsführers einer GmbH gegenüber Dritten auch dann nicht besteht, wenn die Gesellschaft im Rahmen einer Insolvenz in Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO zum Zwecke ihrer Sanierung fortgeführt wird. Eine analoge Anwendung der Haftungsvorschriften §§ 60, 61 InsO scheidet nach der Auffassung des OLG aus, da es hierfür bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt und ebenso an einer Vergleichbarkeit des Geschäftsführers mit dem Insolvenzverwalter.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der als Geschäftsführer bestellte Sanierungsberater die Geschäfte der GmbH nach einem von ihm selbst erarbeiteten Insolvenzplan während des Stadiums der Eigenverwaltung der GmbH geführt und war mit seinem Konzept gescheitert; über das Vermögen der Gesellschaft wurde ein erneutes Insolvenzverfahren eröffnet. Gläubiger der Gesellschaft haben ihn daraufhin persönlich auf Begleichung von während der Sanierungsbemühungen begründeten Verbindlichkeiten in Anspruch genommen. Das OLG hat die Klage zwar abgewiesen, jedoch die Revision zugelassen.
Mit der Klage wurden gegen den Sanierungsgeschäftsführer neben Ansprüchen aus gem. § 311 Abs. 3 BGB auch Ansprüche aus einer analogen Anwendung der §§ 60 und 61 InsO geltend gemacht. Der BGH führt nun aus, dass das Gesetz im Blick auf die Haftung der Geschäftsleiter bei Anordnung der Eigenverwaltung über das Vermögen einer insolventen Gesellschaft eine unbeabsichtigte Regelungslücke enthält, weil die Verweisung des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auf §§ 60, 61 InsO die Organe des Schuldners nicht unmittelbar erfasst. Diese bestehende Gesetzeslücke kann nach Auffassung des BGH nicht im Rückgriff auf die allgemein für Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft geltenden Haftungstatbestände angemessen ausgefüllt werden. Der BGH schlussfolgert, dass die bestehende Gesetzeslücke dahingehend zu schließen ist, dass die Geschäftsleiter einer eigenverwalteten Gesellschaft den Beteiligten entsprechend dem Regelungsplan des Gesetzes für die Verletzung ihnen obliegender insolvenzspezifischer Pflichten analog §§ 60, 61 InsO auf Schadensersatz haften. Die gebotene haftungsrechtliche Gleichstellung einer insolventen, in Eigenverwaltung befindlichen Gesellschaft (§ 270 Abs. 1 InsO) mit einer im Regelinsolvenzverfahren befindlichen Gesellschaft kann angesichts fehlender anderweitiger hinreichend geeigneter rechtlicher Instrumentarien nur verwirklicht werden, indem die Geschäftsleiter der eigenverwalteten Gesellschaft gegenüber den Beteiligten einer Haftung nach §§ 60, 61 InsO unterworfen werden.
Es bleibt nun abzuwarten, zu welchen Schlüssen die Gerichte im weiteren Verfahrensverlauf kommen. Sanierungs-Geschäftsführer müssen sich den besonderen Risiken ihrer Tätigkeit bewusst sein, empfehlenswert ist eine entsprechende Absicherung, z. B. im Rahmen einer D&O-Versicherung mit ausreichender Deckungssumme. Hier sollten jedoch die Versicherungsbedingungen zukünftig dahingehend geregelt sein, dass Pflichtverletzungen im Sinne §§ 60 und 61 InsO inkludiert sind.
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