Obwohl Genussrechte beliebte Finanzierungsinstrumente von Unternehmen sind und das Genussrechtskapital je nach Ausgestaltung als Eigenkapital oder als Fremdkapital anzusehen ist, fehlt es an konkreten gesetzlichen Vorschriften zur handels- und steuerbilanziellen Behandlung von derartigen hybriden Finanzkonstrukten.
Für die Handelsbilanz hat daher das IDW in seiner Stellungnahme 1/1994 Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften Kriterien festgelegt, bei deren kumulativer Erfüllung Genussrechtskapital als Eigenkapital auszuweisen ist. Voraussetzung ist demnach, dass das auf schuldrechtlicher Basis überlassene Kapital zunächst nachrangig ist. Im Insolvenz- oder Liquidationsfall hat der Genussrechtsinhaber somit erst dann einen Rückzahlungsanspruch, wenn alle anderen Gläubiger, deren Kapitalüberlassung nicht den Kriterien für einen Eigenkapitalausweis genügt, befriedigt sind. Des Weiteren müssen die für die Kapitalüberlassung gewährten Vergütungen erfolgsabhängig sein und das überlassene Kapital muss bis zur vollen Höhe am Verlust der Gesellschaft teilnehmen. Schließlich muss die Kapitalüberlassung längerfristig sein.
Die steuerliche Beurteilung erfolgte zunächst nach herrschender Meinung unabhängig vom handelsbilanziellen Eigenkapitalausweis. Maßgebend für die Einordnung war vielmehr die Auslegung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, nach dem Ausschüttungen auf Genussrechte, mit denen das Recht am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden ist, den Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft nicht mindern dürfen. Steuerlich lag demzufolge ein eigenkapitalähnliches Genussrecht vor, wenn das Genussrecht zu einer Beteiligung sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös berechtigt. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG dürfen auf solche Genussrechte gezahlte Vergütungen das Einkommen der Gesellschaft nicht mindern. Fremdkapitalähnliche Genussrechte, bei denen etwa die Beteiligung am Liquidationserlös ausgeschlossen ist, fallen nicht unter § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Hierauf geleistete Ausschüttungen stellen beim Genussrechtsemittenten damit grundsätzlich abzugsfähige Betriebsausgaben dar.
Mit der Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 12.05.2016 wurde diese Sichtweise dahingehend geändert, dass die Kriterien von HFA 1/1994 zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital auch für die Steuerbilanz maßgeblich sein sollen. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wurde somit als reine Einkommensermittlungsvorschrift qualifiziert. Ein Betriebsausgabenabzug ist somit nur noch möglich, wenn eine Qualifizierung als Fremdkapital erfolgt und die Beteiligung am Liquidationserlös ausgeschlossen ist. Mit Erlass vom 18.07.2018 schreiben die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder dem Genussrecht – in Abkehr von der bisherigen Sichtweise – nunmehr allgemein schuldrechtlichen Charakter zu. Im Einzelnen wurden die folgenden Beschlüsse gefasst:
- Genussrechtskapital ist nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit anzusetzen.
- Vergütungen auf dieses Genussrechtskapital sind grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig; sie mindern, vorbehaltlich § 8 Abs. 3 S. 2 2. Alternative KStG, grundsätzlich das Einkommen.
- Diese Rechtsauffassung soll im Nachgang zu den Antwortschreiben des BMF an die Verbände durch ein BMF-Schreiben kommuniziert werden.
Damit kehrt die Finanzverwaltung wieder zu Ihrer früheren Auffassung zurück, die Abgrenzung von Eigen- zu Fremdkapital bei Genussrechten in der Steuerbilanz nicht mehr an die handelsbilanzielle Einstufung zu koppeln. So kann steuerlich auch dann Fremdkapital vorliegen, wenn das Genussrechtskapital handelsrechtlich als Eigenkapital angesehen wird.
Für eine rechtssichere Anwendung bleibt nun dennoch die Auffassung der Finanzgerichte zu dieser steuerbilanziell wichtigen Frage abzuwarten.
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