Der BFH beugt sich dem EuGH und bejaht nun ebenfalls eine rückwirkende Rechnungskorrektur. Für die Unternehmen bestätigt sich damit die durch den EuGH genährte Hoffnung auf den Wegfall der Vollverzinsung bei einer nachträglichen Berichtigung einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung. Wir hatten in unserem Artikel „Aktuelle Rechtsprechung des EuGH zu Vorsteuerabzug und Rechnungskorrekturen“ darüber berichtet.
Bisher hatte der BFH wie auch die Finanzverwaltung eine rückwirkende Rechnungskorrektur abgelehnt und den Vorsteuerabzug erst in dem Jahr gewährt, in dem die ursprünglich fehler-hafte Rechnung berichtigt wurde. Das hatte für die betroffenen Unternehmen eine Verzinsung in Höhe von 6 % p. a. auf den zunächst zu Unrecht gewährten Vorsteuerabzug zur Folge. Daran hält der BFH nun in Folge des EuGH-Urteils in der Rechtssache Senatex vom 15.09.2016 (C-518/14) nicht mehr fest.
In der Pressemitteilung Nr. 77 vom 21.12.2016 nimmt der BFH Bezug auf ein Grundsatzurteil vom 20.10.2016 (V R 26/15). Entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschied der BFH, dass eine Rechnungskorrektur des Unternehmers für eine von ihm erbrachte Leistung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurückwirkt. Demnach entfällt nunmehr sowohl die Steuernachzahlung als auch die Verzinsung.
Die Korrektur setzt jedoch voraus, dass die ursprüngliche Rechnung „korrekturfähig“ ist. Der BFH sieht das jedenfalls dann als gegeben an, wenn die fehlerhafte Rechnung Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Auch diese Kernmerkmale können zwar berichtigt werden, dürfen also in der ursprünglichen Rechnung fehlerhaft sein. Sie dürfen aber nicht so schwerwiegend fehlerhaft sein, dass sie einer komplett fehlenden Angabe gleichstehen.
Daraus, dass der BFH den Ausweis der Umsatzsteuer als Kernelement ansieht, folgt möglich-erweise, dass ein Vorsteuerabzug dann nicht rückwirkend zu erlangen ist, wenn eine Leistung irrtümlich als umsatzsteuerfrei abgerechnet worden ist, sich aber als umsatzsteuerpflichtig herausstellt.
Der BFH lässt es dabei nach dem zitierten Grundsatzurteil ausreichen, wenn die Rechnung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt wird. Die Frage, wie lange eine Rechnung berichtigt werden kann, hatte der EuGH in seiner Entscheidung ausdrücklich offengelassen.
Mangels Entscheidungserheblichkeit lässt der BFH offen, ob ein Vorsteuerabzug auch ohne förmliche Rechnungsberichtigung möglich ist. Dies hatte der EuGH in der Rechtssache Barlis vom 15.09.2016 (C-516/14) unter bestimmten Voraussetzungen bejaht.