Die Anwendung des § 64 GmbHG nach den Vorgaben der BGH-Rechtsprechung ist schwierig und stellt die Instanzgerichte vor mannigfaltige Probleme. Dies zeigt auch eine Entscheidung des BGH (II ZR 394/13).
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es darum, dass der klagende Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH den beklagten früheren Geschäftsführer der Schuldnerin auf Erstattung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf dem debitorischen Konto der jetzigen Insolvenzschuldnerin eingegangener Zahlungen und von Abflüssen von diesem Konto in Anspruch nimmt. Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben hatten, führt die vom BGH zugelassene Revision des Beklagten zur Zurückverweisung.
Der BGH führt dabei aus, dass bei der Beurteilung der Frage, ob gegen die Schuldnerin eine deren Insolvenzreife mit begründende Forderung bestanden hat, die Rechtskraftwirkung einer späteren Feststellung dieser Forderung zur Insolvenztabelle nach § 178 III InsO nicht auf den Geschäftsführer der Schuldnerin erstreckt, wobei dessen Verhalten im Anmeldeverfahren aber eine im Rahmen der Tatsachenfeststellung (§ 286 I ZPO) zu berücksichtigende Indizwirkung haben kann.
Weiterhin führt der BGH aus, dass eine Zahlung an einen Absonderungsberechtigten Gläubiger dann lediglich zu einem Aktivtausch führt, wenn infolge der Zahlung die Gesellschaftssicherheit frei wird und der Verwertung zugunsten aller Gläubiger zur Verfügung steht. Hier-durch entfällt im wirtschaftlichen Ergebnis eine masseschädliche Zahlung. Bei der Beurteilung einer ggf. vorliegenden Masseschädlichkeit ist zu beurteilen, ob die zur Sicherheit abgetretene zukünftige Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden oder werthaltig gemacht worden sei und der Geschäftsführer die Entstehung der Forderung und deren Werthaltigmachen hätte verhindern können.
Der BGH hat den Fall zurückgewiesen und das Berufungsgericht damit beauflagt, unter Berücksichtigung der definierten Leitsätze zu prüfen, ob tatsächlich eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorgelegen hat. Der Beklagte müsste in diesem Fall die gegen ihn streitende Vermutung, er habe schuldhaft gehandelt, widerlegen. Dabei könne den Geschäftsführer auch die Beratung durch eine unabhängige, für die zu klärende Fragestellung fachlich qualifizierte Person, die danach keine Insolvenzreife festgestellt habe, entlasten, sofern er das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle unterzogen habe. Dabei sei es nicht erforderlich, dass der fachkundige Dritte ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt worden sei, sofern der Geschäftsführer davon ausgehen durfte, dass die Fachperson auch im Rahmen einer anderweitigen Aufgabenstellung diese Frage rechtzeitig prüfen und ihn ggf. unterrichten werde.
Schließlich sei zu beachten, dass eine Zahlung i. S. v. § 64 Satz 1 GmbHG auch dann ausscheide, soweit infolge der Verminderung des Debetsaldos durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung weitere sicherungsabgetretene Forderungen frei geworden sein sollten. Wenn die Sicherheit in der Abtretung von Forderungen bestehe, bewirke eine Zahlung an den Zessionar einen solchen Aktivtausch, soweit infolge dieses Vorgangs sicherungsabgetretene werthaltige Forderungen frei geworden und in das zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger bestimmte Vermögen der Gesellschaft gelangt sein sollten.
Auch wenn der BGH sich in neuerer Zeit kontinuierlich um eine Eindämmung seiner ursprünglich außergewöhnlich harten Rechtsprechung zur Haftung des Geschäftsführers gem. § 64 GmbHG unter wirtschaftlichen Kriterien bemüht, zeigt auch die vorliegende Entscheidung, dass die Fortführung des Geschäftsbetriebes entgegen bestehender Insolvenzantragspflicht gem. § 15a InsO für den Geschäftsführer nach wie vor ganz erhebliche Haftungsrisiken birgt.
Wenn die Lage der Gesellschaft kritisch wird und diese gleichwohl fortgeführt werden soll, ist dem Geschäftsführer daher dringend zu raten, sich der Hilfe des durch den BGH zitierten „fachkundigen Dritten“ zu bedienen. Soweit dieser dem Geschäftsführer – plausibel – das Nichtvorliegen eines Insolvenzgrundes bescheinigt bzw. rechtzeitig auf den tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung aufmerksam macht, sollte der Geschäftsführer sich auf der sicheren Seite befinden. Auf der anderen Seite zeigt die Entscheidung, wie kompliziert die Fragen der Haftung gem. § 64 GmbHG sind und dass die Instanzgerichte da-mit regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten haben werden.
In der Literatur gibt es zu diesen Themenkreisen kritische Stimmen. Einen großen Teil der jeweils entstehenden Probleme könnte der BGH häufig bereits dann eliminieren, wenn er – was bei wirtschaftlicher Betrachtung konsequent wäre – bei Zahlungseingängen auf einem debitorischen Konto bei gleichzeitigen Zahlungsausgängen letztlich nur die ggf. per Saldo verbleibende Rückführung des Bankkredits im fraglichen Zeitraum der Haftung gem. § 64 GmbHG unterwürfe. Die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung bleibt abzuwarten.