Im Rahmen der Restrukturierung eines Unternehmens in der Krise ist der Beitritt eines neuen Investors häufig ein wesentlicher Baustein für ein erfolgreiches Sanierungskonzept. Die häufigsten Fälle, in denen das Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO zur Anwendung kommt, sind die Beteiligung eines Gläubigers an einem Unternehmen in der Sanierung.
Das kann zum Beispiel durch eine Bank erfolgen, die bereits dem Unternehmen mit Darlehen zur Verfügung steht und im Rahmen eines Debt-Equity-Swaps Fremdkapital in Eigenkapital umwandelt. Auch kann sich ein Investor darauf berufen, der sowohl eine Beteiligung erwirbt als auch frisches Geld durch Bereitstellung eines Darlehens in das Unternehmen gibt.
Bei dem Sanierungsprivileg geht es nicht um die Privilegierung eines Sanierungsdarlehens, sondern vielmehr um die Privilegierung einer Sanierungsbeteiligung. Zentraler Punkt des Tatbestandes des Sanierungsprivilegs ist dabei die Begründung einer Gesellschafterstellung durch Erwerb einer Beteiligung „in der Krise“. Der Gesetzeswortlaut stellt dabei darauf ab, dass der Gläubiger bzw. Investor Anteile bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck der Sanierung erwirbt. Der Anteilserwerb kann dabei sowohl im Rahmen einer Kapitalmaßnahme als auch außerhalb der Gesellschaft (von den Altgesellschaftern) erfolgen, die Altgesellschafter können sich jedoch (vorbehaltlich des Kleinbeteiligtenprivilegs) nicht auf das Sanierungsprivileg berufen.
Die rechtssichere Anwendung des Sanierungsprivilegs sichert dem Gläubiger bzw. Investor, dass seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder aus Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft nicht als nachrangige Forderungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO qualifiziert werden. Sollte der Sanierungserfolg nicht eintreten, entfällt das Sanierungsprivileg gerade nicht, da es genau für diesen Fall greifen soll, d. h. den Sanierungsgesellschafter vor den Folgen seines eingegangenen Risikos durch die Privilegierung schützen soll.
Folgende weitere Voraussetzungen müssen im Einzelfall gegeben sein:
- der Erwerber der Beteiligung hat mit Sanierungsabsicht gehandelt (subjektiver Sanierungswillen) und
- die Gesellschaft ist objektiv sanierungsfähig
Die Beurteilung der objektiven Sanierungsfähigkeit durch einen unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten – branchenkundigen Fachmann und vor allem ihre Dokumentation in Form eines schriftlichen Sanierungsgutachtens (in der Regel nach IDW S6) bildet in der Praxis eine sichere Grundlage für die Sanierungsfinanzierung.
Die Begründung einer Gläubigerstellung nach Beteiligungserwerb oder die Vergabe weiterer Darlehen widerspricht zwar dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Allerdings wird von der überwiegenden Mehrheit der Stellungnahmen in der Literatur vertreten, dass es auf die Reihenfolge zwischen Beteiligung und Darlehensgewährung nicht ankommen soll, sondern vielmehr ein innerer Zusammenhang zwischen Eingehung der Beteiligung und Gewährung des Darlehens vorliegen muss, der in den Fällen vermutet werden soll, in denen ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist.
Neben Darlehen ist die Privilegierung des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO in ihrer zweiten Alternative auch auf solche Rechtshandlungen anwendbar, die einer Darlehensvergabe wirtschaftlich entsprechen. Damit ist insbesondere die „mittelbare" Finanzierung einer Gesellschaft durch seinen Gesellschafter gemeint, der zu Gunsten eines Dritten, insbesondere einer Bank, eine Sicherheit bestellt.
Gläubiger bzw. Investoren, die sich an Gesellschaften in der Krise beteiligen möchten, unterstützen wir sehr gern bei der Erstellung rechtssicherer Sanierungsgutachten nach IDW S6.
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