Am 25.05.2018 legte die EU-Kommission einen Entwurf hinsichtlich des endgültigen Mehrwertsteuersystems vor. Hauptänderung ist die Abschaffung des zweistufigen und betrugsanfälligen Systems von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb. Die Initiative geht auf den bereits in 2016 vorgelegten Mehrwertsteuer-Aktionsplan der EU-Kommission zurück, in dem diese eine neue Mehrwertsteuerregelung für grenzüberschreitende Warenlieferungen angekündigt hatte.
Das aktuell geltende Recht eröffnet Betrugsspielraum dadurch, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei gestellt werden. Von dieser Befreiung will man zukünftig Abstand nehmen und überführt die Transaktion in ein einstufiges System. Im grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU hat dementsprechend der Verkäufer – wie im nationalen Handel üblich – die Mehrwertsteuer einzubehalten. Durch die Anwendung des Bestimmungslandprinzips ist der Steuersatz des Bestimmungsmitgliedstaats anzuwenden. Ist der Abnehmer ein zertifizierter Steuerpflichtiger, gilt die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.
Die Anmeldung erfolgt über den bereits im Rahmen der elektronischen Dienstleistungen erprobten „One-Stop-Shop“ (kurz OSS). Eine Aufnahme der Transaktionen in die Zusammenfassende Meldung ist nicht mehr vonnöten. Im nun vorliegenden Entwurf wird der OSS erstmals auch für B2B-Umsätze geöffnet. Genutzt werden kann er auch von nicht in der Union ansässigen Steuerpflichtigen, die einen ansässigen Intermediär für diese Zwecke bestimmen. Ab Umsätzen innerhalb der Union von über 2,5 Millionen Euro soll die Mehrwertsteuer auch im OSS monatlich (sonst: quartalsweise) angemeldet werden müssen.
Einige bereits im Oktober 2017 vorgestellte Sofortmaßnahmen (Vereinheitlichungen bei Reihengeschäften, Konsignationslager) bleiben ebenso wie die geplante Versagung der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen mangels Aufzeichnung der USt-Identifikationsnummer des Kunden von den jüngsten Vorschlägen unberührt. Auch die vorgesehene Aufnahme des „zertifizierten Steuerpflichtigen“ in die Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist im aktuellen Vorschlag wortgleich enthalten.
Das endgültige System soll weiter nicht durch verkomplizierende Altlasten in Form von Ausnahmeregelungen von gewissen Mitgliedstaaten belastet werden. Dementsprechend sollen diese Ausnahmen gestrichen werden. Den Mitgliedstaaten wird jedoch im Rahmen der Überarbeitung des Richtlinienvorschlags in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze – losgelöst vom endgültigen System – die Möglichkeit gegeben, die nationalen Systeme durch unterschiedliche Sätze voneinander abweichen zu lassen.
Die vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen sollen bereits zum 01.01.2019 gelten, sofern man sich bis dahin politisch einigen kann. Eine Ausdehnung des neuen Systems auf alle Dienstleistungen ist in einer weiteren Stufe geplant. Hierfür liegt allerdings noch kein Richtlinienentwurf vor. Die Anwendung des endgültigen Systems ist ab dem 01.07.2022 angedacht. Es bleibt mit Spannung zu beobachten, ob für die geplanten Maßnahmen ein politischer Konsens gefunden werden kann.