In der Konzernpraxis nehmen Tochterunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft häufig die Erleichterungen bei der Aufstellung, Prüfung und Offenlegung ihres handelsrechtlichen Jahresabschlusses sowie ggf. ihres Lageberichts in Anspruch. Bis zum Inkrafttreten des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) im Jahr 2015 forderte § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB a.F., dass das Mutterunternehmen zur Verlustübernahme nach § 302 AktG (oder nach dem für das Mutterunternehmen maßgeblichen Recht) verpflichtet ist oder eine solche Verpflichtung freiwillig übernommen hat und diese Erklärung nach § 325 HGB offengelegt worden ist. Nach der herrschenden Meinung in der Kommentierung musste die Verlustübernahmeverpflichtung in zeitlicher Hinsicht für das Geschäftsjahr bestehen, in dem das Tochterunternehmen die Erleichterungen in Anspruch nahm. Wollte das Tochterunternehmen also bspw. für das Geschäftsjahr 2014 Erleichterungen gem. § 264 Abs. 3 HGB a.F. in Anspruch nehmen, musste sich die Verlustübernahmeverpflichtung auf das Geschäftsjahr 2015 beziehen.
Das OLG Köln hat mit Beschluss vom 13.07.2018 (28 Wx 2/18) der bislang herrschenden Kommentarmeinung eine Absage erteilt und entschieden, dass sich die (isolierte) Verlustübernahmeverpflichtung auf das Geschäftsjahr beziehen muss, für das das Tochterunternehmen Erleichterungen in Anspruch nehmen möchte. Wollte das Tochterunternehmen also bspw. für das Geschäftsjahr 2014 Erleichterungen gem. § 264 Abs. 3 HGB a.F. nutzen, so musste sich die Verlustübernahmeverpflichtung nach der Entscheidung des OLG Köln auf das Geschäftsjahr 2014 beziehen. Die Einstandspflicht des Mutterunternehmens nach § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB a.F. muss demnach diejenigen Verluste des Tochterunternehmens abdecken, die bis zum Abschlussstichtag des Tochterunternehmens, auf den sich die Befreiung bezieht, entstanden sind. Ob sich die Verlustübernahmeverpflichtung darüber hinaus auch noch auf das Folgejahr erstrecken muss, kann aus dem Beschluss des OLG Köln nicht eindeutig abgeleitet werden.
Der Beschluss des OLG Köln kann zum einen Auswirkungen auf Altfälle (vor BilRUG) und zum anderen Auswirkungen auf Neufälle (seit BilRUG) haben. Zudem hat der Beschluss des OLG Köln auch Bedeutung für die Befreiungstatbestände der § 264 Abs. 4 HGB (PublG-MU) und § 5 Abs. 6 PublG (PublG-TU). Die Auswirkungen des Beschlusses hängen davon ab, welche Erleichterungen die Tochtergesellschaft konkret in Anspruch genommen hat. Wurde bspw. kein Anhang erstellt, ist ggf. der Feststellungs- und Gewinnverwendungsbeschluss für die Tochtergesellschaft nichtig. Gleiches gilt, sofern auf die gesetzliche Abschlussprüfung verzichtet wurde. Sofern ein Tochterunternehmen aufgrund einer Verlustübernahmeerklärung die Erleichterungen des § 264 Abs. 3 HGB in Anspruch nimmt, empfehlen wir, ggf. unter Hinzuziehung eines Rechtsberaters, die Folgen des o.g. Beschlusses des OLG Köln sowohl für abgelaufene Geschäftsjahre als auch für die Zukunft zu klären.
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