Der EuGH könnte den Beschluss der Kommission zur Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG für nichtig erklären. Dies empfiehlt der Generalanwalt dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 20.12.2017.
Mit Beschluss vom 26.01.2011 hatte die Europäische Kommission entschieden, die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG sei eine rechtswidrige Beihilfe, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Infolge dessen wurde Deutschland verpflichtet, bereits gewährte Beilhilfen zurückzufordern. Dem kam Deutschland nach, indem es bereits erteilte verbindliche Auskünfte widerrief und die Steuerveranlagung ohne Fortführung der Verluste neu vornahm, was zum Teil zu erheblichen Steuerbelastungen der betroffenen Unternehmen führte.
Gegen den Beschluss der Kommission erhoben verschiedene Unternehmen Nichtigkeitsklagen vor dem EuG, das, nach Zurückweisung der Unzulässigkeitseinreden der Kommission, zwei Musterverfahren (T-287/11 und T-620/11) entschied und die Klagen als unbegründet zurückwies. In einem der hiergegen anhängigen Rechtsmittelverfahren (C-203/16 P) verkündete der Generalanwalt nach der mündlichen Verhandlung am 19.10.2017 nunmehr seine Schlussanträge.
Der Generalanwalt beantwortet in seinen Schlussanträgen zwei Fragen aus dem Kernbereich des Beihilferechts. Zum einen bezieht er Stellung zu der Frage, inwieweit Unternehmen berechtigt sind, sich unmittelbar gegen eine Entscheidung der Kommission, die nicht an sie selbst adressiert ist, Klage zu erheben. Und zum anderen setzt er sich mit dem Begriff der Selektivität auseinander, bei dessen Vorliegen eine staatliche Maßnahme (u. a.) eine unzulässige Beihilfe darstellt.
Nach Ansicht des Generalanwalts kann ein Unternehmen Klage erheben, wenn es zu einer geschlossenen Gruppe gehört, die im Lichte besonderer Eigenschaften, die sie von anderen unterscheidet, bestimmbar ist. Unter Bezugnahme auf die sogenannte Plaumann-Entscheidung des EuGH kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Klägerin durch eine verbindliche Auskunft und durch einen Vorauszahlungsbescheid für Körperschaftsteuer konkret die Voraussetzungen für eine Anwendung der Sanierungsklausel erfüllte, damit individuell betroffen und somit klagebefugt ist.
Um festzustellen, ob eine staatliche Maßnahme selektiv und damit unionsrechtswidrig ist, ist zuerst das sogenannte Referenzsystem zu bestimmen. Das ist die geltende allgemeine oder normale Regelung. Weicht die Maßnahme davon ab, wäre sie selektiv. Anders als das EuG, das den Verfall von Verlusten als den Normalfall annahm, kommt der Generalanwalt zu dem Schluss, dass es sich bei dem Verlustvortrag um die allgemeine Regelung handelt. Die Sanierungsklausel würde damit nur den Normalfall wiederherstellen und wäre insofern nicht selektiv.
Der Generalanwalt schlägt daher dem EuGH vor, dem Rechtsmittel des Unternehmens stattzugeben und das Urteil des EuG aufzuheben und die Entscheidung der Kommission zur Sanierungsklausel für nichtig zu erklären.
Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt. Für die betroffenen Unternehmen bestehen jedoch Aussichten auf Nutzung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG.