Leitbild des geltenden Insolvenzrechts ist die Regelung der Insolvenz einzelner Rechtsträger. Für jeden insolventen Rechtsträger ist hiernach ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, in dessen Rahmen ein Insolvenzverwalter das Vermögen zugunsten der Gläubiger dieses Rechtsträgers verwertet. In einem aus mehreren Unternehmen bestehenden Konzern wird im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten folglich für jedes einzelne Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Für die Insolvenzverfahren können, je nach Sitz der Konzernunternehmen, unterschiedliche Gerichte zuständig sein. Diese isolierte Verfahrensabwicklung führt bei Schuldnern, die Teil eines Konzerns sind, bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens in vielen Fällen zu einem Spannungsverhältnis zwischen der rechtlichen Selbständigkeit des insolventen Unternehmens einerseits und seiner tatsächlichen Einbindung in die wirtschaftliche Einheit Konzern andererseits. Denn aufgrund der verschiedenen Verfahren und Verfahrensbeteiligten drohen Reibungsverluste z. B. durch nicht aufeinander abgestimmte Verfahrensstrategien oder durch konzerninterne Rechtsstreitigkeiten.
Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen beschlossen, dem der Bundestag zugestimmt hat. Ziel des Gesetzes ist es, die im Fall einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger Unternehmen in einem größeren Umfang aufeinander abzustimmen. Dieses Ziel soll insbesondere durch
- die Einführung besonderer Gerichtsstands- und Verweisungsregelungen mit der Möglichkeit der Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands,
- die Möglichkeit zur Bestellung eines einzelnen Insolvenzverwalters für sämtliche Insolvenzverfahren der Gruppengesellschaften sowie
- die Möglichkeit der Beantragung eines sog. Koordinationsverfahrens am Ort des für Gruppen-Folgeverfahren zuständigen Insolvenzgerichts
erreicht werden.
Bei einem Koordinationsverfahren wird ein von den übrigen Insolvenzverwaltern und Sachwaltern in den jeweiligen Einzelverfahren unabhängiger, übergeordneter sog. Koordinationsverwalter gerichtlich bestellt (§ 269e InsO), dessen wesentliche Aufgabe darin besteht, die Einzelverfahren aufeinander abzustimmen. Zur abgestimmten Abwicklung der Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern können der Verfahrenskoordinator und, wenn ein solcher noch nicht bestellt ist, die Insolvenzverwalter der gruppen-angehörigen Schuldner gemeinsam dem Koordinationsgericht einen Koordinationsplan zur Bestätigung vorlegen. Der Koordinationsplan kann insbesondere Vorschläge zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen gruppenangehörigen Schuldner und der Unternehmensgruppe, zur Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten und zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Insolvenzverwaltern enthalten.
Zentrale Bedeutung für die Anwendbarkeit der zuvor dargestellten Verfahrenserleichterungen erlangt der Begriff der „Unternehmensgruppe“, der in § 3e InsO definiert wird. Eine Unternehmensgruppe im Sinne der InsO besteht aus rechtlich selbständigen Unternehmen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind durch
- die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder
- eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung.
Der Begriff der Unternehmensgruppe im Insolvenzrecht geht daher über den handelsrechtlichen Konzernbegriff hinaus. Zum einen ist es im Insolvenzrecht unerheblich, welche Rechtsform das Unternehmen an der Konzernspitze aufweist; zum anderen werden auch die sog. Gleichordnungskonzerne erfasst, bei denen die zusammengeschlossenen Unternehmen gerade nicht von einem anderen Unternehmen beherrscht werden.
Das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen wird am 21.04.2018 in Kraft treten.