Die Insolvenz eines Geschäftspartners führt nicht nur zum Ausfall ausstehender Forderungen. Noch schlimmer kann es kommen, wenn ein Schreiben vom Insolvenzverwalter mit Worten wie „Anfechtung“ oder „Klage“ eingeht. In einem solchen Fall droht einem Unternehmen so-gar die Rückzahlung von Geldbeträgen, die vor dem Insolvenzantrag Geschäftspartners gezahlt wurden. Das entsprechende Risiko ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, und auch in Zukunft dürften Insolvenzverwalter immer häufiger vom rechtlichen Instrument der Insolvenzanfechtung Gebrauch machen. Darauf lässt auch eine Reihe von Entscheidungen des BGH schließen, die sich mit Insolvenzanfechtungen befassen.
Nach §§129 ff. InsO kann ein Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen - in der Regel Zahlungen - anfechten, die vor Insolvenzantragstellung erfolgten. Besonders relevant sind zwar die letzten drei Monate. Wenn eine Zahlung des Schuldners jedoch mit dem Vorsatz der Benachteiligung der anderen Gläubiger erfolgte und der Zahlungsempfänger diesen Vorsatz kannte, ist eine Anfechtung von Vorgängen möglich, die bis zu zehn Jahre zurückliegen.
Die Vorsatzanfechtung ist in §133 InsO geregelt. Dabei reichen Indizien aus, denen zufolge ein Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Kenntnis gehabt haben konnte. In solchen Fällen wird dem Gläubiger automatisch einiges unterstellt: Er habe nicht nur gewusst, dass die Zahlung an ihn objektiv andere Gläubiger benachteiligt, sondern er habe auch den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gekannt. Dabei kommt es zu einer Beweislastumkehr zulasten des Gläubigers. Einige neuere Entscheidungen des BGH verdeutlichen die Problematik.
Allein dass ein Schuldner bei einer erheblichen Forderung über mehrere Monate nicht auf Rechnungen und Mahnungen reagiert, gilt nach Meinung des BGH bereits als Indiz für den Gläubiger, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist. Ein weiteres Indiz sei, wenn der Schuldner nach Einschaltung eines Inkassounternehmens und Betreiben des Mahn- bzw. Gerichtsverfahrens um eine geringe und zeitlich hinausgeschobene Ratenzahlung bittet. Deshalb verurteilte der BGH ein Transportunternehmen, mehr als 16.000 Euro an den Insolvenzverwalter des Kunden zurückzuzahlen (Urteil vom 25.2.2016, IX ZR 109/15). Als Indizien werten die Richter außerdem, wenn ein Schuldner selbst erteilte Zahlungszusagen nicht einhält oder verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre vornimmt. In einem entsprechenden Verfahren musste ein Anlagenbauer rund 700.000 Euro nach der Klage eines Insolvenzverwalters zurückzahlen (BGH Urteil vom 9.6.2016, IX ZR 174/15).
In einem anderen Fall hatte ein Unternehmen Geschäftspartner aufgefordert, sich am Sanierungskonzept mit einem Schuldenschnitt zu beteiligen. Damit war laut Insolvenzverwalter die gesetzliche Vermutung gemäß § 133 Abs.1 Satz 2 InsO erfüllt - mit entsprechender Um-kehr der Beweislast. Ein verklagter Gläubiger musste folglich darlegen, dass er nichts von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste. Dies ist laut BGH dann der Fall, wenn ihm ein schlüssiges Sanierungskonzept des Schuldners vorlag. Das Verfahren wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH Urteil vom 12.5.2016, IX ZR 65/14). In einem weiteren Fall stand fest, dass eine öffentliche Förderung, ohne die der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin nicht kostendeckend war, kurz nach Zahlung an den Gläubiger auslaufen würde. Damit war für den BGH klar, dass die Krise nicht mehr abwendbar war und damit ein Benachteiligungsvorsatz bei Zahlung gegeben sein musste (BGH Urteil vom 21.1.2016, IX ZR 84/13).
Die Rechtsprechung des BGH lässt bei der insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung eine verwalterfreundliche Tendenz erkennen. Es bleibt zu hoffen, dass das geplante „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ dem Unternehmer wieder mehr Schutzrechte gewährt. Für einen gewissen Schutz können Unternehmer selbst sorgen, indem sie ein stringentes Forderungsmanagement betreiben, das grundsätzlich die Vereinbarung von Sicherheiten und eine ebenso konsequente wie rasche Durchsetzung von Forderungen beinhaltet.