Weder der Besitz der Sache, noch die Zahlung des Kaufpreises lösen den Startschuss für den AfA-Zeitraum aus. Aber auch die mit der Fruchtziehung verbundene Verwertungsmöglichkeit reicht für sich genommen nicht aus.
Üblicherweise finden bei Anschaffungsvorgängen der Übergang von Nutzen und Lasten und der Gefahrenübergang gleichzeitig statt, so dass der Zeitpunkt des Abschreibungsbeginns keiner genaueren Untersuchung bedarf. Wann der AfA-Zeitraum jedoch konkret beginnt, wenn diese Zeitpunkte auseinanderfallen, hat der BFH im Urteilsfall vom 22.09.2016 (IV R 1/14) entschieden.
Dabei hat der BFH geurteilt, dass der Steuerpflichtige für den Zeitraum bis zum Gefahrenübergang noch keine AfA geltend machen darf, obwohl er das Wirtschaftsgut bereits voll bezahlt hat, es nutzt und mit ihm Erträge erzielt. Die AfA erfordert eine Anschaffung (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG), diese hängt an der Lieferung (§ 9a EStDV). Die Lieferung setzt ihrerseits den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums voraus. Wirtschaftliches Eigentum entsteht beim Erwerber aber in der Regel erst durch den kumulativen Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten sowie Gefahr.
Die Möglichkeit der Fruchtziehung aus dem Wirtschaftsgut (im Streitfall Windkraftanlagen) ist für sich genommen nicht ausreichend für die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums. Wenn vor der Abnahme ein Probebetrieb stattfindet, ist der Gefahrenübergang für den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums zwingend erforderlich, damit die Substanz des Wirtschaftsguts auf den Erwerber übergeht. Sollte der Vertrag nach dem Probebetrieb rückabgewickelt werden, ist der Veräußerer mit dem zwischenzeitlichen Wertverzehr wirtschaftlich belastet. Für das Kriterium der Nutzungsmöglichkeit hatte der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 eine einzelfallbezogene Abwägung anhand der Chancen- und Risikoverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber zugelassen (I R 57/10).
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