Künftig könnten Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten früher umstrukturiert werden, so dass Insolvenzen und Entlassungen so weit wie möglich vermieden werden. Darauf haben sich Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten am 19.12.2018 geeinigt. Die gemeinsamen EU-Standards für effizientere Insolvenzverfahren sollen mehr Rechtsicherheit für Investoren und EU-weit tätige Unternehmen schaffen – eine wichtige Voraussetzung für die Vertiefung der Kapitalmarktunion und des Binnenmarkts und damit für mehr Wachstum und Beschäftigung.
Nach dem Abschluss der sog. Trilog-Verhandlungen zeichnen sich die Umrisse des von der EU geplanten neuen Restrukturierungsverfahrens nun deutlicher ab. In diesen Verhandlungen hatten Parlament, Rat und Kommission um einen Ausgleich zwischen dem sehr schuldnerfreundlichen Ansatz des Kommissionsentwurfs und den Änderungen des Parlaments gerungen, die auf einen stärkeren Schutz von Gläubigern und Arbeitnehmern abzielten. In den internen Verhandlungen des Rates war zudem deutlich geworden, dass viele Mitgliedstaaten den Veränderungsdruck auf ihr nationales Recht durch entsprechende Öffnungsklauseln reduzieren möchten.
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Richtlinie konzentriere sich auf drei Schlüsselelemente:
- Gemeinsame Standards für präventive Restrukturierungsmaßnahmen,
- Regeln für die Gewährung einer zweiten Chance für Unternehmer und
- gezielte Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Insolvenz-, Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren in allen Mitgliedstaaten.
Mit einem Restrukturierungsplan soll künftig – ähnlich wie im deutschen Insolvenzplan – auch die Möglichkeit verbunden sein, widersprechende Gläubiger zu überstimmen. Dieser sogenannte „cross-class cram-down“ ist sinnvoll. Er hat aber bei den Mitgliedstaaten durchaus Diskussionen provoziert, weil nicht alle mit den hohen Anforderungen eines solchen Verfahrens zurechtkommen. Zum Schutz der Minderheitsgläubiger müssen hier besondere Sicherheitsvorkehrungen im gerichtlichen Bestätigungsverfahren beachtet werden. Der Rat betont, dass ein Eingriff in Arbeitnehmerechte im Rahmen von Restrukturierungsverfahren dagegen ausgeschlossen sein soll. Bis zuletzt umstritten waren neben dem Umfang des Arbeitnehmerschutzes auch die Vorkehrungen gegen einen Missbrauch des Verfahrens.
Im Ergebnis sind die jetzt erzielten Ergebnisse ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in eine europäische Harmonisierung von Restrukturierungen. Mit ihren sonstigen Regelungsbereichen, die auch Insolvenzverfahren, Insolvenzgerichte und Insolvenzverwalter betreffen, öffnet die Richtlinie auch den Weg für weitere Harmonisierungsschritte in Europa.
Die Richtlinie muss noch formal von Europäischem Parlament und Rat angenommen werden. Nach der endgültigen Annahme wird die Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft.
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