Die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO war in den letzten 20 Jahre Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen und Gesetzesvorhaben. In ständiger Rechtsprechung konnte bisher aus der nachgewiesenen (drohenden) Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden.
Die Vorsatzanfechtung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer wenig beachteten Randerscheinung zu einer Allzweckwaffe der Insolvenzverwalter entwickelt. Dies ist insbesondere der anfechtungsfreundlichen Rechtsprechungslinie des BGH zu verdanken, die bis zur Reform der Anfechtungstatbestände im Jahre 2017 zu einer deutlichen Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 133 Abs. 1 InsO führte.
Im Rahmen der Reform versuchte der Gesetzgeber diese Entwicklung zu begrenzen und die zunehmend herabgesetzten Anforderungen an den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zumindest in Teilbereichen zu korrigieren. Am Ende stand eine halbherzige Reform, die ihr anvisiertes Ziel jedoch verfehlte. Nunmehr hat der BGH hierzu eine weitere, möglicherweise richtungsweisende Entscheidung veröffentlicht (Urt. v. 6.5.2021 – IX ZR 72/20).
An dem Kriterium „Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes“ setzt die genannte Entscheidung des BGH an. Zukünftig reicht es nicht mehr aus, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der später angefochtenen Rechtshandlung seine drohende oder gar schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit kennt. Entscheidend ist, dass er weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er auch zukünftig nicht in der Lage sein wird, alle seine Gläubiger zu befriedigen.
Die Kenntnis der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit kann daher lediglich noch als Indiz für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes gewertet werden. Die Stärke dieses Indizes hängt allerdings von der Tiefe und Dauer der Zahlungsunfähigkeit sowie den Aussichten, diese in akzeptabler Zeit zu überwinden, ab. Entscheidend ist demnach das Ausmaß der bestehenden Deckungslücke. Lässt diese, selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung, eine vollständige Befriedigung der vorhandenen und noch hinzutretenden Gläubiger nicht erwarten und befriedigt der Gläubiger in dieser Lage einzelne Gläubiger, ist regelmäßig ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz anzunehmen. Besteht dagegen – abhängig von der vorhandenen Deckungslücke – Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit, rückt der hierfür erforderliche Zeitraum sowie das Verhalten der (übrigen) Gläubiger in den Mittelpunkt der Betrachtung. Besteht erheblicher Mahn- und Vollstreckungsdruck, begrenzt dies den für eine Beseitigung der bestehenden Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum.
Darlegungs- und beweisbelastet für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers von diesem ist auch weiterhin der Insolvenzverwalter. Dieser muss nunmehr – im Falle fehlender anderer Indizien für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz – neben der Zahlungsunfähigkeit auch nachweisen, dass keine begründeten Aussichten auf Beseitigung der Deckungslücken bestanden. Dies sei, so der BGH, regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Ursache für die Entstehung der Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt war oder absehbar beseitigt werden würde.
Wie weit die Änderung infolge des Urteils allerdings in der Rechtspraxis geht, hängt insbesondere von der näheren Ausgestaltung des zukünftig vom Insolvenzverwalter geforderten Beweismaßes für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ab.
Die tatrichterliche Beweiswürdigung wird bei Vorsatzanfechtung künftig an Bedeutung gewinnen und der Begründungsaufwand wird sich erhöhen. Wie die Gerichte diese Neujustierung umsetzen werden, bleibt abzuwarten.
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