Durch das Buchwertprivileg des § 6 Abs. 3 EStG ist eine unentgeltliche Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen steuerneutral möglich. Die Regelung soll insbesondere die Unternehmensnachfolge erleichtern und knüpft die Buchwertfortführung daher neben der Sicherstellung einer Besteuerung der stillen Reserven an die Übertragung einer fortführungsfähigen betrieblichen Sachgesamtheit durch einen einheitlichen Vorgang. Bei einer Zerschlagung z. B. durch Zurückbehaltung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen kommt eine steuerneutrale Übertragung nach § 6 Abs. 3 EstG grundsätzlich nicht in Betracht. In diesem Zusammenhang ergeben sich zahlreiche Zweifelsfragen, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG erfüllt werden.
Das BMF legt in seinem Schreiben vom 20.11.2019 seine teilweise geänderte Auffassung zu Einzelfragen bei der Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG dar. Unter anderem schließt sich das BMF der einschlägigen BFH-Rechtsprechung zur Gesamtplanbetrachtung bei Übertragungsvorgängen nach § 6 Abs. 3 EStG an und äußert sich zu der Rolle von Sonderbetriebsvermögen bei der Übertragung von Mitunternehmer(teil-)anteilen sowie der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt.
§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt für die Buchwertfortführung grundsätzlich voraus, dass sämtliches funktional wesentliches (Sonder-)Betriebsvermögen in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang auf den Übernehmer übertragen wird. In Fällen, in denen funktional wesentliches (Sonder-)Betriebsvermögen hingegen zurückbehalten und zeitgleich oder taggleich ins Privatvermögen überführt oder an Dritte veräußert wird, versagte das BMF bislang die Buchwertfortführung und unterstellte stattdessen eine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe, mit der die Aufdeckung der stillen Reserven verbunden ist. In den einzelnen Übertragungen sah das BMF aufgrund des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs einen für steuerliche Begünstigungen schädlichen „Gesamtplan“.
Der BFH widersprach in einer Reihe von Urteilen dem BMF und weicht in Fällen betrieblicher Umstrukturierungen vom Gesamtplangedanken ab. So steht laut BFH die vorherige oder taggleiche Ausgliederung funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG nicht der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG entgegen, da die begünstigten Vorschriften gleichberechtigt nebeneinanderstehen.
Dem folgt nun das BMF mit Schreiben vom 20.11.2019 und gibt die Gesamtplanbetrachtung bei der parallelen Anwendung von § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG auf. Die gleichzeitige Anwendung der beiden Buchwertprivilegien ist jedoch nur dann möglich, wenn nach Auslagerung von funktional wesentlichem (Sonder-)Betriebsvermögen weiterhin eine funktionsfähige betriebliche Einheit besteht und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Aus diesem Grund darf die gleichzeitige Anwendung von § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG keine Betriebszerschlagung zur Folge haben, sondern das Restbetriebsvermögen nach der Auslagerung nach § 6 Abs. 5 EStG muss für sich gesehen wirtschaftlich lebensfähig sein. Auch adaptiert das BMF erstmals die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur quotalen und disquotalen Übertragung von Mitunternehmer(teil-)anteilen mit Sonderbetriebsvermögen und gibt auch hier die Gesamtplanbetrachtung auf. Weiterhin stellt das BMF klar, dass eine Buchwertfortführung bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Nießbrauchsvorbehalt auch dann möglich ist, wenn der Nießbraucher weiterhin gewerbliche Einkünfte aus dem Anteil bezieht. Entscheidend ist allein, ob der Nießbrauch derart ausgestaltet ist, dass der Erwerber die Mitunternehmerstellung erlangt.
Das Schreiben vom 20.11.2019 löst das BMF-Schreiben vom 03.03.2005 mit Ergänzungen vom 07.12.2006 ab und ist auf alle noch nicht abgeschlossenen Übertragungsvorgänge gemäß § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG anzuwenden. Allerdings gewährt das BMF aus Vertrauensschutzgründen die Möglichkeit die bisherige Verwaltungsauffassung für bereits abgeschlossene Übertragungsvorgänge auf Antrag weiterhin anzuwenden.
Nicht geäußert hat sich das BMF zu Fällen der §§ 20 und 24 UmwStG (Einbringung unter vorheriger Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen) und zu Nießbrauchsfällen, in denen der Nießbraucher weiterhin Mitunternehmer (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) bleibt. Sind entsprechende Gestaltungen geplant, wird den Unternehmern dringend eine ausführliche Beratung empfohlen.
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