Die Eigenverwaltung in Verbindung mit einem durch die Gesellschafter getriebenen Insolvenzplan hat sich, bei sanierungsfähigen und sanierungswürdigen Unternehmen längst zu einer in Bezug auf die Fortführung sehr sinnvollen Sanierungsalternative entwickelt.
Aus rechtlicher Sicht ergibt sich auch bei Eigenverwaltungen die Pflicht zur Prüfung von Alternativszenarien aus dem Schlechterstellungsverbot gem. § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Demnach dürfen die Gläubiger durch einen Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden, als sie im Regelverfahren stünden. Vergleichsmaßstab zu einem Insolvenzplan ist daher grundsätzlich die Quotenerwartung „ohne (irgend) einen Insolvenzplan“.
Alternativpläne mit/ohne Investoreneinstieg oder die übertragende Sanierung (Asset Deal) bleiben demnach nach dem Wortlaut des Gesetzes eigentlich grundsätzlich unberücksichtigt, weil es allein auf den Vergleich der wirtschaftlichen Ergebnisse des Insolvenzplans mit den wirtschaftlichen Ergebnissen im Regelverfahren ankommt.
In der Praxis ist bei Eigenverwaltungsverfahren jedoch nicht selten festzustellen, dass einzelne Gläubigergruppen fordern, nach Einleitung eines Eigenverwaltungsverfahrens auch parallel einen M&A-Prozess zum Zwecke einer Vergleichsrechnung einzuleiten – vor allem, um eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung erzielen zu können. Zum einen ist weder gesetzlich noch höchstrichterlich geklärt, ob auf Forderung der Gläubiger stets ein Investorenprozess zu initiieren ist; sofern kein Investor gefunden wird, der bereits ist, durch seine Zahlungen eine Quotenverbesserung zu finanzieren, könnte die Insolvenzmasse mit den Kosten des strukturierten M&A-Prozess belastet werden, sich ein Verlust an Zeit und Vertrauen einstellen und sensible Daten und Informationen aus dem insolventen Unternehmen abfließen. Auf der anderen Seite würde die Motivation des Unternehmers, durch einen möglichst frühen Antrag Insolvenzverschleppungen zu vermeiden und die wirtschaftliche Grundlage seiner eigenen Existenz zu erhalten, konterkariert.
Den impliziten Zwang zur Durchführung eines Dual-Track-Prozesses hat das LG Stade mit einem Beschluss vom Dezember 2017 (7T 151/17) gekippt. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hat ein Gläubiger während des Erörterungs- und Abstimmungstermins sein Erwerbsinteresse bekundet seine Schlechterstellung aufgrund des im Verfahren unterlassenen M&A-Prozesses vorgetragen. Der Gläubiger reichte ein indikatives Kaufangebot während der Beschwerdefrist nach.
Die Beschwerde wurde u. a. mit der Begründung zurückgewiesen, bei der Bewertung der Frage, ob der Beschwerdeführer durch den Insolvenzplan eine wesentliche Schlechterstellung erleide, nicht unberücksichtigt bleiben könne, dass zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Insolvenzplan kein konkretes verbindliches Kaufangebot vorlag. Nach den Ausführungen des Gerichts besteht keine Pflicht, einen M&A-Prozess durchzuführen.
Damit stärkt das LG Stade die Eigenverwaltung und setzt konsequent um, was der Gesetzgeber mit der Eigenverwaltung initiiert hat, die frühe Anmeldung der Insolvenz (in Eigenverwaltung) und die Nutzung der InsO als wirksames Sanierungsinstrument.
Allerdings sind sich in diesem Punkt die Gericht nicht einig, so stellte z. b. das AG Hamburg im Dezember 2013 (67g IN 419/12) fest, dass der vorläufige Sachwalter im Regelfall verpflichtet ist, eine aufgrund des Verbots der Schlechterstellung erforderliche Vergleichsrechnung transparent und plausibel aufzustellen. Hierzu gehört notwendigerweise die präzise Auslotung von möglichen Anfechtungs- und Haftungsansprüchen sowie von etwaigen Möglichkeiten für eine übertragende Sanierung.
Für eigenverwaltende Schuldner, Planersteller und (vorläufige) Sachwalter bietet sich ein gewisses Spannungsfeld. Vor dem Hintergrund der Gläubigerautonomie sollte die strategische Vorgehensweise im Einzelfall genau abgewogen und mit den wichtigsten Stakeholdern des Planverfahrens abgestimmt werden, um unerwartete Überraschungen bei der Erörterung und Abstimmung zum Insolvenzplan zu vermeiden.
Quellen:
AG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 67g IN 419/12, ZInsO 2014, 569 (4. LS), ZIP 2014, 237
LG Stade, Beschl. v. 29.12.2017 – 7 T 151/17, ZInsO 2018, 614
Rechtsanwältin Katrin Schröder, LL.M. corp. restruc., Düsseldorf, „Keine Pflicht des eigenverwaltenden Schuldners zu Dual-Track-Prozess“ in ZInsO 11/2018, S. 668 ff.
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