Basierend auf ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt hat die EU-Kommission im April 2018 zwei Richtlinienentwürfe zu gesellschaftsrechtlichen Themen vorgelegt. Darin schlägt sie vor,
- das Prozedere für Firmengründungen zu digitalisieren und
- die Regeln für grenzüberschreitende Umwandlungen zu reformieren.
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zum grenzüberschreitenden Formwechsel wird durch verschiedene Grundsatzentscheidungen unterstrichen (siehe auch unseren Beitrag vom 26.06.2018). Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte schon in einem Urteil aus dem Juli 2012 (C-378/10) entschieden, dass ein Mitgliedstaat der EU, der für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung (Formwechsel) vorsehe, verpflichtet sei, dieselbe Möglichkeit auch Gesellschaften zu geben, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegen und sich in eine Gesellschaft nach dem Recht des aufnehmenden Mitgliedstaates umwandeln möchten.
Im Oktober 2017 urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union (C-106/16) dass die Niederlassungsfreiheit den Anspruch einer Gesellschaft auf Umwandlung in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft (grenzüberschreitende Umwandlung) umfasst, falls die Voraussetzungen des Rechts jenes anderen Mitgliedstaats eingehalten sind. Da gesetzliche Rahmenbedingungen bislang größtenteils fehlen, ist die Praxis in den Mitgliedstaaten uneinheitlich. Die EU-Kommission plant nun konkrete Vorschriften, die es Kapitalgesellschaften ermöglichen, ihren juristischen Sitz von einem Mitgliedstaat in den anderen zu verlegen, ohne dadurch seine Rechtspersönlichkeit zu verlieren oder eine Liquidation herbeizuführen. In Deutschland umfasst das die AG, KGaA und die GmbH.
Außerdem soll es diesen Unternehmen ermöglicht werden, sich grenzüberschreitend aufzuspalten. Dabei sollen Arbeitnehmerrechte und Gläubigerrechte gewahrt werden. Es soll ferner sichergestellt werden, dass die Reorganisation nicht auf „unbillige Steuervorteile“ abzielt oder anderen missbräuchlichen Zielen dient. Dazu enthalten die neuen Vorschriften an zwei Stellen (Art. 86c Abs. 3 und Art. 160d Abs. 3) steuerliche Missbrauchsvermeidungsvorschriften, nach denen grenzüberschreitende Umwandlungen u.a. dann untersagt werden sollen, wenn sie nur der Erlangung eines steuerlichen Vorteils dienen.
Die Einschaltung eines unabhängigen Sachverständigen soll sicherstellen, dass diese Grundsätze und Regeln eingehalten werden. Seine Aufgabe wird auch sein, die eingereichten Unterlagen einer Prüfung zu unterziehen. Es ist vorgesehen, dass der abgebende Mitgliedstaat die Rechtmäßigkeit der grenzüberschreitenden Transaktion zu beurteilen hat. Für den Fall, dass keine Einwendungen bestehen, erfolgt die Ausgabe eines Zertifikats. Der aufnehmende Staat hat dann zu prüfen, ob die umgezogene Gesellschaft seine eigenen Anforderungen erfüllt. Nach Vollzug nimmt die Gesellschaft eine Rechtsform des aufnehmenden Staats als Kapitalgesellschaft an.
Die existierenden Regelungen zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen haben in der Praxis zu einer überlangen Dauer und unnötigen Komplexität des Vorgangs geführt. Die Kommission sieht daher den Bedarf, auch die dortigen Regelungen zu vereinfachen. Das Verfahren soll gestrafft werden, auf einzelne Formerfordernisse und Prüfungen kann künftig verzichtet werden. Hierzu erfolgt eine Anpassung der bestehenden Regelungen zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen.
Die EU-Kommissions-Vorschläge sehen zudem die vollständige Digitalisierung des Datenaustausches zwischen dem Unternehmen und den jeweiligen Registern vor. Dies gilt für die Eintragung des Unternehmens bei der Gründung und die spätere Veränderungen, die im Register einzutragen sind. Eine physische Präsenz beim Notar oder beim Registergericht soll nicht mehr erforderlich sein. Nur für den Fall der konkreten Gefahr von Missbräuchen sollen Ausnahmen hierzu gelten. Dokumente sollen online zum Register durch ein Upload-Verfahren übermittelt werden, die Identifizierung erfolgt durch elektronische Zertifikate. Die Mitwirkung eines Notars soll sich dabei auf seine „Online-Präsenz“ beschränken, die auf einer gemeinsam genutzten Online-Plattform erfolgt. Dieses Angebot soll grenzüberschreitend zur Verfügung gestellt werden. Notare und Registergerichte werden auf diese Neuregelungen mit neuer technischer Umgebung reagieren müssen, das deutsche nationale Recht ist darauf bislang nicht vorbereitet.
Die Neuerungen sollen in die bestehende EU-Richtlinie über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (EU 2017/1132) aufgenommen werden. Nach Abschluss des EU-Gesetzgebungsverfahrens schlägt die EU-Kommission vor, dass die EU-Mitgliedstaaten die Regelungen innerhalb von 24 Monate (in Teilen auch 60 Monaten) in nationales Recht umsetzen sollen.
Bild: Oliver Weber / pixelio