Der BFH hatte mit Urteil vom 27.02.2019 (Az. I R 73/16) entschieden, dass die Ausbuchung eines Darlehens der deutschen Muttergesellschaft an eine belgische Tochtergesellschaft wegen fehlender Besicherung und der daraus abgeleiteten fehlenden „Fremdüblichkeit“ in voller Höhe der Korrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG unterliegt. Einen Verstoß gegen Unionsrecht sah der BFH darin nicht. Zwar werde durch § 1 Abs. 1 AStG die Niederlassungsfreiheit beschränkt. Aus der EuGH-Rechtsprechung ergebe sich jedoch hinreichend deutlich - so der BFH -, dass dies zur Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sei.
Die Richter des BFH unterstellten als urteilstragende Eingangsprämisse pauschal, ein Darlehen im Konzern sei immer dann nicht fremdüblich, wenn es nicht besichert sei. Diesen Grundsatz verfolgte der BFH auch in weiteren Urteilen und stellte dadurch sicher geglaubte, grundlegende Elemente der steuerlichen Behandlung der Konzernfinanzierung infrage, ohne im Gegenzug Antworten zu geben oder auch den dadurch ausgelösten Verwerfungen im Verhältnis zu den ausländischen Investitionsstaaten Beachtung zu schenken.
Dass die nach dem BFH-Urteil eingereichte Verfassungsbeschwerde in Bezug auf ein einzelnes Judikat des BFH zur Entscheidung angenommen wurde, hatte bereits Seltenheitswert. Dass sich das Bundesverfassungsgericht dann aber über die zwingend entscheidungserheblichen Aspekte hinaus (vorliegend: fehlende Vorlage vor dem EuGH) mit Einzelfragen der Urteilsbegründung bezüglich des materiellen Rechts detailliert auseinandersetzt, erscheint ganz besonders. Dies betrifft auch die Deutlichkeit, mit der die Verfassungsrichter eine zutreffende Auslegung des § 1 AStG anmahnen. Denn sie stellen im Beschluss vom 31.03.2021 (2 BvR 1161/19) die Frage in den Raum, ob die Auslegung des I. Senats des BFH zum Fremdvergleich „nur“ einen „einfachen Rechtsfehler“ darstellt oder ob Rechtsanwendung und Verfahren so krass fehlerhaft und bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich sind, dass dadurch die Grenze zur Willkür überschritten würde. Insgesamt testiert Karlsruhe dem Bundesfinanzhof, dass der „im Rahmen des Urteils vorgenommene Fremdvergleich in keiner Weise mit tatsächlichen Feststellungen unterlegt“ wurde.
Ferner rügt Karlsruhe das Unterbleiben einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof als „nicht mehr verständlich“. Der EuGH hatte in ähnlich gelagerten Fällen von in Konzernen gegebener länderübergreifender Patronatserklärungen ohne Haftungsentschädigung bereits entschieden (C-382/16), dass von dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit ausnahmsweise abgewichen werden kann, wenn und soweit die Patronatserklärung entweder für die Kapitalgrundausstattung der Gesellschaft oder für den Ausbau deren Geschäfts als notwendig erachtet wird. Denn dann geht es nicht um eine (gezielte) Gewinnverlagerung über die Grenze und die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, sondern um den Erhalt bzw. Ausbau des unternehmerischen Engagements innerhalb der EU. Diesen Aspekt hatte der BFH zwar einerseits gesehen, aber mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung inhaltlich nicht weiterverfolgt. Da damit vorliegend mindestens eine ungeklärte Rechtsfrage zum Unionsrecht bestand, hätte der BFH die Sache zwingend dem EuGH zur Entscheidung vorlegen müssen.
Nach der Aufhebung des BFH-Urteils und Zurückverweisung muss BFH sich nun von Grund auf neu mit der Thematik auseinandersetzen und eine Reihe wichtiger Aspekte erneut auf den Prüfstand stellen, Stichworte: steuerliche Absetzbarkeit bei Wertverlusten konzerninterner grenzüberschreitender Darlehen, Angemessenheit und Abzugsbegrenzung von konzerninternen Zinsen, steuerliche Folgen fehlender oder nicht angemessener konzerninterner Besicherungen. All dies muss vor dem Hintergrund des EU-Rechts gewürdigt werden, somit ist auch damit zu rechnen, dass der BFH die eine oder andere Frage dem EuGH zur Entscheidung vorlegen wird.
Dem Steuerpflichtigen ist zu raten, ähnlich gelagerte Fälle offen zu halten, um keine steuerlichen Nachteile zu erleiden und ggf. auf eine geänderte Rechtsprechung des BFH reagieren zu können.
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