Mit der am 26. Juni 2019 verabschiedeten Richtlinie 2019/1023 möchte die EU die Insolvenzregime in Europa vereinheitlichen und wettbewerbsfähiger ausgestalten. In der Vergangenheit wurden einzelne, dafür aber medienwirksame Fälle des sog. forum shoppings bekannt: Unternehmen haben bewusst die Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Vorteile ausländischer Sanierungsregime zu nutzen (z.B. Restrukturierungsmaßnahmen für nur einzelne Gläubigergruppen, Verabschiedung des Plans gegen den Willen opponierender Gläubiger, Kürze des Verfahrens etc.). Mit der EU-Richtlinie soll auch dem Insolvenztourismus Einhalt geboten werden und in jedem Mitgliedsstaat sollen Unternehmen eine „zweite Chance“ erhalten.
In Deutschland wird gegenwärtig ein sehr praxisrelevanter Gesetzentwurf erarbeitet, der ein weiteres Instrument bietet, um Unternehmen erfolgreich restrukturieren zu können, den so genannten präventiven Restrukturierungsrahmen.
Ziel des präventiven Restrukturierungsverfahrens ist es, das Unternehmen zu sanieren und Arbeitsplätze zu erhalten. Liegt bei einem Unternehmen eine Insolvenzwahrscheinlichkeit (likelihood of insolvency) vor und ist es gleichwohl bestandsfähig (viability test), soll ihm künftig ein vier bis max. 12 Monate andauerndes Moratorium gewährt werden können (Verbot der Einzelzwangsvollstreckung). Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen allgemein gelten und alle Gläubiger umfassen kann oder auf einen oder mehrere Gläubiger beziehungsweise Gläubigergruppen beschränkt sein kann. Schwebende Geschäfte (z.B. mit Lieferanten) sollen – trotz ausstehender Verbindlichkeiten des Schuldners – ausgeführt werden, sofern sie für die Fortführung des Unternehmens erforderlich sind. Die Insolvenzantragspflichten sind weitgehend suspendiert.
Wichtig wird sein, dass der zentrale Leitgedanke der EU-Richtlinie bei der Umsetzung in deutsches Recht berücksichtigt wird. Der präventive Restrukturierungsrahmen soll für den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen sorgen. Deshalb sollte er auch von einem Insolvenzverfahren klar abgegrenzt sein und nicht allein die größtmögliche Gläubigerbefriedigung zum Ziel haben. Auch wenn es sinnvoll ist, die Rechte der Gläubiger in der Restrukturierung zu stärken.